Auf dem Spreewaldkahn werden Träume wahr

Auf dem Spreewaldkahn werden Träume wahr Single
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Ja, auf einem Spreewaldkahn ist schon so manch ein Traum wahr geworden. Besonders begeistert hat uns aber der von Jürgen Ludwig. Der Vogtländer verbrachte als Kind viele Sommer im Spreewald und lernte dort das Staken durch die Spreewaldfließe. Noch einmal seine Kindheit im Spreewald erleben und selber einen Kahn fahren, war viele Jahre sein Traum. Warum einige Versuche scheiterten und wo er dann endlich einen Kahn fahren durfte, erfahren Sie im folgenden Leserbrief.,
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Kindheitserinnerungen aus dem Spreewald

Es waren die Jahre 1957 bis 1963. Von meinem 10. bis 16. Lebensjahr wurde ich, der aus dem Vogtland kam, drei Wochen lang während der Sommerferien zu einem Spreewaldurlaub bei Großtante Dora und Großonkel Willy in Lübben verdonnert. So empfand ich es zumindest anfangs.

Aber Dora und Willy verstanden es hervorragend mir die Zeit in keiner Weise langweilig werden zu lassen. So war es ein bleibendes Erlebnis, dass ich mit Dora auf dem „Kudamm“ in Berlin war und mir im Kaugummiautomat eine Kugel ziehen durfte.

Erst wohnten sie in der Bahnhofstrasse, später in der Karl-Marx-Straße (heute Logenstraße). Dora arbeitete in einer Trikotagenfabrik und Onkel Willy in einer Fleischerei. So war ich den ganzen Tag auf mich selbst gestellt. Und das ging wunderbar. Obwohl es solche tollen Attraktionen für Kinder, wie sie es heute gibt, damals noch nicht gab.  So strolchte ich als „Schlüsselkind“ durch den HAIN, ging baden in der Spree oder radelte mit einem Klapperfahrrad in der Gegend herum.

Entdeckung der Liebe zum Kahn fahren

Was sie aber hatten, war ein Kahn, der am Fließ zur Liebesinsel lag. Es war das Größte wenn Dora und Willy mich mit zu diesem nahmen. Zuerst musste der Kahn mit einer hölzernen „Schaufel“  leer geschöpft werden. Außerdem gab es Verhaltensregeln, wie z.B. dass man nicht in den Kahn springen darf oder dass man stets das Gleichgewicht halten muss. Wenn es dann endlich losging, stakten sie mit dem Kahn gelassen durch den Schlangengraben, Berste (in beiden durfte ich auch öfter mal „über Bord“-Baden gehen) über die Hauptspree bis nach Lübbenau und anschließend wieder zurück über den Burg-Lübbenau-Kanal. Auf dem Kanal wurde immer ein großer alter Schirm aufgespannt, sodass das anstrengende und langweilige Staken dort mit Windunterstützung wesentlich schneller und lustiger von statten ging.

1959, ich war 12, durfte ich zum ersten Mal selbst staken. Natürlich war damals die oberste Maxime „..zerbrich ja nicht das Rudel.“ So sagten sie immer zur Stake. Ich lernte also wie das Staken funktioniert, wo die Kahnspitze hingeht, wenn man mit dem Rudel an der Kahnwand drückt, wo die Spree tiefer ist, als das Rudel lang, und noch vieles mehr. Es war für mich ein riesen Spaß und machte einen solchen auch.

So vergingen die Jahre und Jahrzehnte. Willy verstarb als Erster. Ich besuchte noch viele Male Dora, mit Freundin und dann mit meiner Familie. Bis auch Tante Dora nicht mehr war. Schon lang hatte sie keinen Kahn mehr und einen solchen auszuleihen, war bis 1990 überhaupt nicht möglich. So blieb es immer ein Traum, meine tollen Erinnerungen und „Fähigkeiten“ meiner Frau und Tochter zu zeigen und ihnen die einzigartige Natur des Spreewaldes nahezubringen. Mit ihnen eine selbstgestakte Kahntour zu machen, war die sehnsuchtsvolle Hoffnung über all die Jahre.

Wie gewonnen so zerronnen…

Es kam das Jahr 2010 und wir waren mit zwei Familien in Lübbenau. Wahrscheinlich fragte ich an den falschen Stellen. Eine eigenständige Kahnausleihe war augenscheinlich immer noch nicht möglich. So buchten wir eine sechsstündige Kahntour, die wunderschön durchgeführt wurde. Doch etwas störte mich daran. Ich saß einfach nur im Kahn. Ich wagte den Versuch den Fährmann zu fragen, ob ich möglicher Weise eine kleine Strecke selber staken zu dürfe. Zu meiner großen Überraschung sagte er tatsächlich zu. Aber  wie gewonnen, so zerronnen – noch bevor es zum Wechsel kam, fing es an in Strömen zu regnen.  Meine Laune kann man sich vorstellen.

2013 waren wir mit einer weiteren Familie wieder im Urlaub in Lübbenau. Vorher wurde das Internet zum Glühen gebracht, ob es nun mittlerweile einen Kahnverleih zum Selbststaken für Urlauber gebe. Natürlich nicht und wenn ich an meine „Lehrzeit“ denke, eigentlich voll verständlich! Man kann es einfach nicht in 1-2 Stunden lernen.

Der Traum wird endlich wahr

Zum Glück gibt es noch Herrn Gahl vom Kahnverleih Kalmus. Ihm konnte ich im Gespräch und mit Bildern von meinen Sommerurlauben beweisen, dass ich so ein Rudel schon sehr oft in den Händen hatte und einen Kahn mit  vier Personen staken könnte.

Mein Traum wurde endlich wahr und es ist nicht zu verhehlen, dass Tränen rollten. Einen ganzen Tag lang war ich Kahnkapitän und stolz wie Bolle, dass ich nichts verlernt hatte. Fast nichts, denn einmal hatte ich zu viel Schwung beim Anlegen und ein weiteres Mal übersah ich ein „Einbahnstraßenschild,“ welches an einem Baum angenagelt war. Natürlich war immer genau in diesen Momenten ein Profifährmann in Augenhöhe und winkte uns alles andere als freundlich und verständnisvoll zu. Doch ich ließ mich nicht beirren.

Einfach herrlich diese Ruhe, das scheinbare Gleiten durch die Wiesen, die Flora und Fauna rechts und links der Fließe, das entschleunigte Fahren durch den Hochwald. Es gibt nichts Vergleichbares. So tourten wir über Broda, Bürgerfließ, Bürgergraben, Rollkanal, Wotschofska, Wehrkanal und Lehder Graben wieder zurück. Man kann meine Freude, dass es nun endlich mal geklappt hat und darüber, dass Herr Gahl uns das Vertrauen schenkte, seinen Kahn wieder heil abzuliefern, nicht beschreiben.

Nochmals tausend Dank dafür! Ein Traum nach Jahrzehnten war endlich wahr geworden. Solch einen wahrgewordenen Traum, kann man nur einmal erleben und es bleibt zu hoffen, dass alles getan wird, dieses einmalige Kleinod von Natur zu erhalten.

Der Artikel enthält zu weiten Teilen Auszüge aus dem Leserbrief von Jürgen Ludwig.

Kleiner Lesetipp:

Wie sich Urlaubsreich Redakteur Alexander Mader an seinem Tag als Kahnfahrlehrling schlug. Lesen Sie hier.